Um eine bestimmte Technologie und ihren Anwendungsbereich zu beschreiben, bedarf es einer Bezeichnung. Diese wird häufig synonym für die gesamte Branche verwendet, z.B. für Anbieter und Nutzer einer solchen Technologie. Unsere Branche entwickelte sich aus verschiedenen Technologien, die innerhalb weniger Jahre in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren eingeführt wurden. Jeder dieser Technologien wurde von dem sie vermarktenden Unternehmen bzw. in einigen Fällen vom Lizenzgeber der Technologie eine Bezeichnung gegeben. Die folgende Tabelle fasst einige der wichtigsten Anfangstechnologien zusammen:
Es ist interessant zu sehen, dass die meisten dieser Namen und Abkürzungen auch 30 Jahre später noch immer auf ähnliche Art und Weise verwendet werden und einige in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. Das 3D-Druck-Verfahren wurde vom Team von Emanuel Sachs am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt und im Patentantrag von 1989 wie folgt beschrieben:
3D Systems haben ihre Technologie ursprünglich für das „Rapid Prototyping“ entwickelt und da dies die erste kommerzielle Anwendung war, wurde der Begriff bald in größerem Umfang genutzt. So trug beispielsweise die erste wichtige Fachzeitschrift der Branche den Titel „Rapid Prototyping Report“ und die ersten, von der University of Dayton abgehaltenen Konferenzen wurden als „International Conference on Rapid Prototyping“ bezeichnet. Schnell wurde festgestellt, dass sich die Technologie nicht nur zur Herstellung von Prototypen eignet. So kamen in der Folge die Begriffe „Rapid Tooling“ und „Rapid Manufacturing“ auf. Viele Jahre lang wurde die von SME organisierte jährliche Konferenz und Fachmesse unter dem Titel „RAPID“ geführt. Doch von Anfang an wurden auch alternative Begriffe verwendet.
Die University of Texas nutzte den Begriff der Festkörper-Freiform-Herstellung (Solid Freeform Fabrication, SFF) für seine Veröffentlichungen und Konferenzen und der Autor Marshall Burns nannte sein 1993 erschienenes Buch „Automated Fabrication“ und versuchte, die Begriffe „Fabricator“ für die Anlagen und „Fabber“ für die Nutzer zu etablieren. Der Unternehmensname DTM wurde vom Begriff „Desktop Manufacturing“ abgeleitet; auch die Begriffe „Solid Imaging“, „Layer Manufacturing“ und „Additive Manufacturing“ waren in Gebrauch.
Mit fortschreitender Entwicklung der Branche wurde der Ruf nach mehr Standardisierung laut. Einerseits ging es darum, Missverständnisse zu minimieren, da die Begriffe (wie 3D-Druck) unter Umständen unterschiedliche Bedeutungen hatten. Andererseits wollte man generische Ausdrücke zur Beschreibung der Technologien finden, da deren Bezeichnungen vielfach urheberrechtlich geschützt waren. Die ersten Normungsaktivitäten wurden von VDI in Deutschland durchgeführt. So ist es kein Zufall, dass deren erste Publikation zu diesen Technologien auch auf die Terminologie eingeht: Die deutsch-englische Ausgabe der VDI-Norm 3404 aus dem Jahr 2009 (basierend auf einem rein deutschen Entwurf von 2007) trug den Titel „Generative Fertigungsverfahren - Rapid Technologien (Rapid Prototyping)“. Sie gab an, dass
generative Fertigungsverfahren/Rapid-Technologien zur Fertigung von Prototypen, Werkzeugen und Bauteilen eingesetzt werden. Infolge einer ziemlich turbulenten Entwicklung sind verschiedene Begriffe und Definitionen aufgekommen, die häufig mehrdeutig und verwirrend sind.“ Die Norm legte die Technologiebezeichnungen auf Basis der gebräuchlichsten Termini fest, wobei urheberrechtlich geschützte Namen und Abkürzungen vermieden wurden. So wurde beispielsweise statt FDM der Begriff „Fused Layer Modelling/Manufacturing“ (FLL) verwendet. Der 3D-Druck (3DP) wurde definiert als „additives Verfahren, bei dem ein Klebemittel Punkt für Punkt auf ein Pulverbett aufgetragen wird, wodurch das Pulver an den Stellen, an denen das Klebemittel aufgetragen wurde, eine Verbindung mit diesem eingeht.
Schnell gab es auch auf internationaler Ebene Normierungsbemühungen und schon kurz darauf hatte sich der Begriff „Additive Fertigung (AM)“ als offizieller Name der Branche etabliert. ASTM International richtete beispielsweise den Normenausschuss F42 „Additive Manufacturing Technologies“ ein, der dann die ASTM-Norm F2792 zur Standardterminologie in der additiven Fertigung“ hervorbrachte. Diese Norm bediente sich dabei sowohl urheberrechtlich geschützter als auch generischer Begriffe, z.B.:
Im Zuge einer Kooperation zwischen ASTM F42 und dem ISO-Ausschuss TC261 „Additive Manufacturing“ wurde die ASTM F2792 später durch den internationalen Standard ISO/ASTM 52900 „Additive Fertigung – Grundlagen – Terminologie“ ersetzt. Diese Norm arbeitete ausschließlich mit generischen (nicht urheberrechtlich geschützten) Begriffen, sodass beispielsweise das Lasersintern unter „Pulverschichtverfahren“ und die Stereolithographie unter „Vat-Photopolymerisation“ aufgeführt wurde. Dennoch behielt sie die Definition des 3D-Drucks bei und fügte eine Definition für die entsprechenden Systeme hinzu:
Parallel zu den Standardisierungsaktivitäten konnten Technologie und Branche auf mindestens zwei Ebenen große Fortschritte erzielen. Einerseits gab es schnell immer mehr Unternehmen, die kostengünstige Systeme für den Heim- und Hobbygebrauch anboten. Obwohl diese größtenteils auf einem Extrusionsverfahren basierten (Fused Deposition Modelling, FDM) und mit thermoplastischen Filamenten arbeiteten, wurden die Systeme häufig als 3D-Drucker bezeichnet. Diese Entwicklung war begleitet von zahlreichen Presseberichten und Interviews mit Geschäftsberatern, von denen viele vorhersagten, dass innerhalb weniger Jahre Millionen Haushalte einen 3D-Drucker besitzen und 3D-gedruckte Ersatzteile und Komponenten im Haushalt nutzen würden. Auf der anderen Seite erreichten die industriellen AM-Verfahren, wie das Lasersintern, eine Qualität und Reife, die dazu führte, dass sie für immer kritischere und regulierte Produkte, wie medizinische Implantate und Bauteile in der Luft- und Raumfahrt, eingesetzt wurden. Verständlicherweise wollten die Hersteller und Nutzer solcher Produkte vermeiden, dass Letztere mit dem 3D-Druck (wie von ASTM/ISO definiert) „durch Maschinen im unteren Preis- und/oder Qualitätssegment“ in Verbindung gebracht wurden. Diese Situation stellte Unternehmen wie EOS vor ein Dilemma, wollten diese doch vor allem Kunden aus dem hochwertigen industriellen Bereich gewinnen, dabei aber auch nicht riskieren, sich zu weit vom 3D-Druck zu distanzieren.
Um sich von Low-End-Anwendungen abzusetzen, entschied EOS, in seiner Kommunikation hauptsächlich den Begriff „Additive Fertigung“ zu nutzen und diesem die im Alltag gebräuchliche Bezeichnung „Industrieller 3D-Druck“ beizufügen.
Die oben beschriebene Entwicklung der Terminologie lässt sich anhand der seit den 1990er Jahren von Wohlers Associates veröffentlichten Jahresberichten zur Lage der Branche („State of the Industry Reports“) gut nachvollziehen. So bieten die Berichte eine unabhängige Beschreibung des Markts sowie der Anbieter und Nutzer der Technologie und spiegeln die Verwendung der Begriffe in den einzelnen Jahren sehr gut wider. Die folgende Tabelle fasst zusammen, welche Begriffe über die Jahre im Titel oder der Einführung zu diesen Berichten genutzt wurden.
Begriffe im jährlich von Wohlers Associates publizierten „State of the Industry Report“
1996Rapid Prototyping1998Rapid Prototyping & Tooling2003Rapid Prototyping, Tooling & Manufacturing2006
Rapid Prototyping & Manufacturing
2007Additive Fertigung, auch unter anderen Namen, z.B. Rapid Prototyping, bekannt2009Additive Fertigung (AM)20213D-Druck und Additive Fertigung
Der Status quo 2021:
Autor: Dr. Mike Shellabear