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Orthopädische Implantate mit neuem Metall 3D-Druck Prozess herstellen

30. Oktober 2020 | Lesezeit: 4 Min
EOS hat ein Ti64-AM-Verfahren entwickelt, das in Kombination mit der HIP-Wärmebehandlung (Heißisostatisches Pressen) ausgezeichnete Ermüdungseigenschaften hervorbringt. Ziel dieses Projekts war es, diese Ermüdungseigenschaften an einem echten Implantatdesign zu testen und die Ergebnisse mit herkömmlich geschmiedeten Ti64-Hüftschäften zu vergleichen.

Neue Möglichkeiten durch additive Fertigung

Die folgenden Abschnitte zeigen, wie das Know-how, die Erfahrung und die Leistungen des EOS-Netzwerks zusammen diesen Fortschritt in der orthopädischen additiven Fertigung ermöglicht haben:

Ermüdungstestergebnisse

Die Ermüdungstests wurden vom OIC (Orthopedic Innovation Center) in Winnipeg, Kanada, durchgeführt. Die Hüftschäfte wurden gemäß ISO 7206-6 auf die Ermüdungseigenschaften des Halses getestet. Sie hielten einer Belastung von 5340 N und 10 Millionen Zyklen stand. In dieser Studie wurden zwei additiv gefertigte Hüftschäfte getestet, die beide einen Runout von 10 Millionen Zyklen überstanden. Dies zeigt, dass die Ermüdungseigenschaften dieser additiv gefertigten Implantate mindestens so gut wie die eines herkömmlichen geschmiedeten Ti64-Hüftschaftes sind. Derart gute Ermüdungseigenschaften wurden zum ersten Mal bei einem additiv gefertigten Implantat gemessen.

 

Bauvorbereitung

Damit keine Stützstruktur entfernt werden muss und sich das Implantat leichter aus der Plattform herausnehmen lässt, wurden die Hüftschäfte in einem „Halter“ gefertigt. Die Hauptfunktion dieses Halters besteht darin, vor den Kräften des Recoaters zu schützen. (Um die besten mechanischen Eigenschaften zu erzielen, wurde eine HSS-Klinge verwendet, die ein optimales und gleichmäßiges Beschichtungsverhalten gewährleistet). Es gibt jedoch keine Verbindung zwischen dem Halter und dem Hüftschaft, sondern einen Spalt von ca. 0,2 – 0,3 mm. Die ideale Spaltbreite wurde durch eine Versuchsplanung (DoE) ermittelt. Die Spaltgröße ist ein Kompromiss zwischen der leichten Entnehmbarkeit und dem sicheren Schutz der Hüftschäfte vor Vibrationen aufgrund von Recoater-Kräften. Das Bauteil wird durch die Reibungskräfte zwischen dem Halter, dem Pulver und dem Hüftschaft in seiner Position gehalten.

Der Artikel meines Kollegen Michael Wohlfart Bauen ohne Stützstrukturen hat mich zu dieser Vorgehensweise angeregt. Es lohnt sich sehr, diese innovativen Ideen in einer realen Anwendung umzusetzen.

Nutzung der Software Amphyon von Additive Works

Im nächsten Schritt sollte sichergestellt werden, dass diese Idee auch in der Praxis funktioniert. Mit Amphyon wurde bestätigt, dass das Set-up keine Probleme verursacht, wodurch die Notwendigkeit einer „trial & error“-Baustrategie entfiel. Erstanwender und selbst erfahrenere AM-User, die neue Anwendungen ausprobieren, beschweren sich häufig über die Notwendigkeit einer „trial & error“-Strategie beim ersten Bau.

Es wurden Simulationen durchgeführt, um zu prüfen, ob es zu Kollisionen mit dem Recoater kommt, ob die Verformungen innerhalb der Toleranz liegen und ob thermische Spannungen auftreten. Diese Analyse ermöglicht eine qualitativ hochwertige Konstruktion, schon bevor ein einziger Auftrag ausgeführt wird, was Kosten und Vorlaufzeiten reduziert.

Diese Software erlaubt die Vorverformung des Hüftschaftes, um gleich beim ersten Mal ein hochpräzises Teil direkt aus dem Drucker zu erstellen. Meiner Erfahrung nach funktioniert dies sehr gut, insbesondere bei kleinen und kontrollierten Verformungen, die für den Hüftschaft während des Drucks zu erwarten sind.

Ausgezeichnete Ermüdungseigenschaften

Modernstes AM-Verfahren

Die Hüftschäfte wurden mit dem EOS Titanium Ti64 Grade 23-Verfahren in 40 µm Schichtdicke auf einer EOS M 290 hergestellt. Die EOS M 290 wurde für dieses Projekt ausgewählt, weil sie das qualifizierteste industrielle additive Fertigungssystem auf dem Markt ist. Darüber hinaus ist die Zuverlässigkeit und Wiederholbarkeit der Maschine genau das, was für hervorragende Ermüdungseigenschaften, bei denen ein einziger Fehler die Werte erheblich beeinträchtigen kann, benötigt wird. In Zukunft wäre es sinnvoll, den Prozess für die Serienfertigung weiter zu optimieren, um die Baurate und die Stabilität angesichts der besonderen Anforderungen einer Hüftschaftanwendung zu verbessern.

Optimierte HIP-Wärmebehandlung

Die ausgezeichneten Ermüdungseigenschaften werden durch die Kombination eines hochmodernen AM-Verfahrens (siehe oben) mit einer optimierten HIP-Wärmebehandlung (Heißisostatisches Pressen) erzielt. Herkömmliche HIP-Verfahren sind optimiert, um die mechanischen Eigenschaften der Guss- oder gussähnlichen Qualität und Mikrostruktur zu verbessern. Die Qualität einer Fertigung mit der EOS M 290 übertrifft dies bei Weitem. Deshalb hat EOS eine HIP-Wärmebehandlung entwickelt, die die einzigartige Mikrostruktur der AM berücksichtigt.

Die konventionelle HIP-Behandlung erfolgt über 2 Stunden bei 920 °C und 100 MPa. Sie kommt in verschiedenen Branchen weit verbreitet zum Einsatz. Das von EOS entwickelte Verfahren läuft 2 Stunden bei 820 °C und 140 MPa. Dieser HIP-Zyklus in Kombination mit dem DMLS-Verfahren von EOS führt zu einer Ermüdungsfestigkeit von 795 MPa bei 10^7 Zyklen (N=9)

Nachbearbeitung

Die Nachbearbeitung ist wenig komplex und wurde von Precision ADM, Winnipeg, Kanada, vorgenommen. Das AM-Verfahren wurde so eingerichtet, dass die gleichen Nachbearbeitungsschritte wie bei einem konventionell hergestellten Hüftschaft durchgeführt werden können. Daher wählte man den Ansatz ohne Stützstrukturen. Der Konus wurde bearbeitet und der Hals des Hüftschaftes poliert, um optimale Ermüdungseigenschaften zu erzielen, ähnlich denen eines bereits auf dem Markt befindlichen Vergleichsprodukts. Die Ergebnisse sind rechts zu sehen.

Fazit

Die Tatsache, dass es heute möglich ist, die mechanischen Eigenschaften eines geschmiedeten Teils für eine konkrete Anwendung zu erzielen, ist ein großer Sprung für die additive Fertigung in der Orthopädie. Diese spannende Entwicklung ermöglicht es uns, das Potenzial der additiven Fertigung für eine weitere Gruppe von Implantaten zu erschließen. Es liegt nun an den Geräteentwicklern in Orthopädie- und anderen Unternehmen, die Grenzen der additiven Fertigung zu erweitern und Ideen zu verwirklichen, die bislang für nicht realisierbar gehalten wurden. Das Additive Minds Beratungsteam freut sich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um diese Möglichkeiten zu erschließen und die nächste Generation von Implantaten zu entwickeln.

Autor: Davy Orye