Additive Manufacturing Blog

Bessere Vermarktung durch Gitterstrukturen

20. April 2021 | Lesezeit: 4 Min
Während sich viele Branchen ganz auf die additive Fertigung (additive manufacturing, AM) einlassen und damit erfolgreich Produkte auf den Markt bringen, reicht es anderen, in die Branche hineinzuschnuppern und sich dann wieder abzuwenden. Warum fällt es einigen Unternehmen so schwer, tiefer in die AM-Materie einzudringen? Welche Herausforderungen stehen ihnen im Wege?

Was sind die Hürden bei der Umsetzung eines innovativen Produktdesigns?

Im Rahmen meiner Tätigkeit im Additive Minds-Team berate ich Unternehmen mit wenig AM-Erfahrung zum Einstieg in den 3D-Druck. Während sich viele Branchen ganz auf die additive Fertigung einlassen und damit erfolgreich Produkte auf den Markt bringen, reicht es anderen, in die Branche hineinzuschnuppern und sich dann wieder abzuwenden. Warum fällt es einigen Unternehmen so schwer, tiefer in die AM-Materie einzudringen? Welche Herausforderungen stehen ihnen im Wege?

Als Ingenieur in der Konsumgüterindustrie habe ich die Erfahrung gemacht, dass es vielen Kunden darum geht, das Gewicht eines Produkts zu verringern oder ggf. enthaltenen Schaumstoff zu ersetzen. Am Ende des Gesprächs heißt es oft: „Wir wollen nur ein Gitter drauflegen“. Dies erinnert mich an die US-amerikanische Satire-Fernsehserie Portlandia und ihren Spot Put a Bird On It („Einen Vogel drauf tun“), in dem ein kauziges Pärchen versucht, den Umsatz eines Ladengeschäfts dadurch zu steigern, dass sie trendige Vogelsilhouetten auf die sonst völlig fade Ware kleben. 

Aus mehreren Gründen (Umsatz steigern, Kunden anziehen) stehen Unternehmen unter dem Druck, innovative Produkte zu entwickeln und zu verkaufen. Unabhängig davon, ob ein Gitter der eigentlichen Bauteilfunktion zuträglich ist, soll das Design rein optisch einen technischen Mehrwert vermitteln und so eine große Marketingwirkung entfalten. 

Warum also lässt sich ein innovatives Produktdesign (z. B. ein Gitter) nicht mal eben auf die Schnelle umsetzen? 

Ich habe festgestellt, dass viele Kunden (ebenso wie AM-Dienstleister) nicht auf die Herausforderungen eingestellt sind, die ein „einfaches Drauflegen“ eines Gitters mit sich bringt. Damit dies gelingen kann, müssen beide Seiten verschiedene Maßnahmen ergreifen und in einem von manchen als unangenehm empfundenen Ausmaß interne Daten offenlegen.

Um zum Verständnis beizutragen, stellen wir in Abbildung 1 die Aufgaben der Projektbeteiligten zusammen. AM-Dienstleister kennen diese Herausforderungen und arbeiten weiter daran, die Einstiegsbarrieren für den industriellen 3D-Druck abzubauen, indem sie den Arbeitsablauf von der CAD-Datei bis zum gedruckten Bauteil optimieren, die Eigenschaften der eingesetzten Werkstoffe verbessern und hilfreiche Lehrmittel zur erfolgreichen Anwendung der AM-Technologie bereitstellen.

Insbesondere im Bereich des Gitterdesigns gestaltet sich die Auswahl der richtigen Software als besonders schwierig. Einige AM-Dienstleister decken alle für das Gitterdesign benötigten Phasen selbst ab, während andere ein Netzwerk mit mehreren Softwarepartnern aufbauen, um so Sonderwünsche erfüllen zu können. Beide Ansätze können jedoch durch Schutzrechte an Daten und geistigem Eigentum zusätzlich verkompliziert werden.

Natürlich tragen die Erfolgsgeschichten über die beschleunigte Markteinführung eines gitterbasierten Produkts zum Ansehen der Branche bei. Doch auch wenn diese Berichte über solche AM-Schnellverfahren den dringend benötigten Marketingsog erzeugen, müssen wir unbedingt dafür sorgen, dass von vornherein die richtigen Erwartungen an den Zeitrahmen gestellt werden.

Was können wir also tun? 
  1. Problemstellung formulieren
    Es gilt, sowohl die Herausforderung der AM-Fertigung als auch deren Mehrwert herauszustellen.
  2. Bewusstsein für Designzyklus entwickeln
    Beide Teams (beim Kunden und beim AM-Dienstleister) sollten eine Schulung zu iterativer Designentwicklung absolvieren.
  3. Klare Erfolgskriterien definieren 
    Mithilfe quantifizierbarer Metriken lässt sich die Entscheidungsfindung vereinfachen. 
  4. Stärken des herkömmlich gefertigten Bauteils würdigen, aber vergessen.Die Stärken der additiven Fertigung lassen sich am besten bei der Konzeption einer neuen Idee ausspielen.
In einer auf schnellem Wissenszuwachs basierenden Unternehmenskultur ist es möglich, die Machbarkeit innovativer Designideen schnell zu bewerten und die Entfaltung neuer Ideen voranzutreiben. Teams können am effektivsten arbeiten, wenn sie dazu ermächtigt sind, neue Ideen so lange zu entwickeln, zu prüfen und zu verwerfen, bis ein produktionsreifes Produkt entsteht. Klar definierte Erfolgskriterien helfen bei der Vereinfachung der Entscheidungsfindung und verkürzen die Dauer bis zur Produktionsreife.

Der AM steht eine vielversprechende Zukunft bevor. Dennoch hat die Pandemie die Aufgabenteilung im Rahmen der Produktentwicklung erschwert und manchmal dazu geführt, dass Projekte aufgegeben wurden. Zudem sorgt die Arbeit im Homeoffice bei vielen dafür, dass sie bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit (Präsentation eines Projektangebots für einen wichtigen Marktakteur) immer wieder mit häuslichen oder familiären Ablenkungen konfrontiert sind. Die Lösung: Bleiben wir innovativ! Vielleicht finden wir so am Ende eine einfache Lösung, um ein Produktdesign durch „Auflegen eines Gitters“ in wenigen Arbeitsschritten bis zur Produktionsreife zu führen.