Im Rahmen meiner Tätigkeit im Additive Minds-Team berate ich Unternehmen mit wenig AM-Erfahrung zum Einstieg in den 3D-Druck. Während sich viele Branchen ganz auf die additive Fertigung einlassen und damit erfolgreich Produkte auf den Markt bringen, reicht es anderen, in die Branche hineinzuschnuppern und sich dann wieder abzuwenden. Warum fällt es einigen Unternehmen so schwer, tiefer in die AM-Materie einzudringen? Welche Herausforderungen stehen ihnen im Wege?
Als Ingenieur in der Konsumgüterindustrie habe ich die Erfahrung gemacht, dass es vielen Kunden darum geht, das Gewicht eines Produkts zu verringern oder ggf. enthaltenen Schaumstoff zu ersetzen. Am Ende des Gesprächs heißt es oft: „Wir wollen nur ein Gitter drauflegen“. Dies erinnert mich an die US-amerikanische Satire-Fernsehserie Portlandia und ihren Spot Put a Bird On It („Einen Vogel drauf tun“), in dem ein kauziges Pärchen versucht, den Umsatz eines Ladengeschäfts dadurch zu steigern, dass sie trendige Vogelsilhouetten auf die sonst völlig fade Ware kleben.
Aus mehreren Gründen (Umsatz steigern, Kunden anziehen) stehen Unternehmen unter dem Druck, innovative Produkte zu entwickeln und zu verkaufen. Unabhängig davon, ob ein Gitter der eigentlichen Bauteilfunktion zuträglich ist, soll das Design rein optisch einen technischen Mehrwert vermitteln und so eine große Marketingwirkung entfalten.
Ich habe festgestellt, dass viele Kunden (ebenso wie AM-Dienstleister) nicht auf die Herausforderungen eingestellt sind, die ein „einfaches Drauflegen“ eines Gitters mit sich bringt. Damit dies gelingen kann, müssen beide Seiten verschiedene Maßnahmen ergreifen und in einem von manchen als unangenehm empfundenen Ausmaß interne Daten offenlegen.
Um zum Verständnis beizutragen, stellen wir in Abbildung 1 die Aufgaben der Projektbeteiligten zusammen. AM-Dienstleister kennen diese Herausforderungen und arbeiten weiter daran, die Einstiegsbarrieren für den industriellen 3D-Druck abzubauen, indem sie den Arbeitsablauf von der CAD-Datei bis zum gedruckten Bauteil optimieren, die Eigenschaften der eingesetzten Werkstoffe verbessern und hilfreiche Lehrmittel zur erfolgreichen Anwendung der AM-Technologie bereitstellen.
Insbesondere im Bereich des Gitterdesigns gestaltet sich die Auswahl der richtigen Software als besonders schwierig. Einige AM-Dienstleister decken alle für das Gitterdesign benötigten Phasen selbst ab, während andere ein Netzwerk mit mehreren Softwarepartnern aufbauen, um so Sonderwünsche erfüllen zu können. Beide Ansätze können jedoch durch Schutzrechte an Daten und geistigem Eigentum zusätzlich verkompliziert werden.
Natürlich tragen die Erfolgsgeschichten über die beschleunigte Markteinführung eines gitterbasierten Produkts zum Ansehen der Branche bei. Doch auch wenn diese Berichte über solche AM-Schnellverfahren den dringend benötigten Marketingsog erzeugen, müssen wir unbedingt dafür sorgen, dass von vornherein die richtigen Erwartungen an den Zeitrahmen gestellt werden.
Der AM steht eine vielversprechende Zukunft bevor. Dennoch hat die Pandemie die Aufgabenteilung im Rahmen der Produktentwicklung erschwert und manchmal dazu geführt, dass Projekte aufgegeben wurden. Zudem sorgt die Arbeit im Homeoffice bei vielen dafür, dass sie bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit (Präsentation eines Projektangebots für einen wichtigen Marktakteur) immer wieder mit häuslichen oder familiären Ablenkungen konfrontiert sind. Die Lösung: Bleiben wir innovativ! Vielleicht finden wir so am Ende eine einfache Lösung, um ein Produktdesign durch „Auflegen eines Gitters“ in wenigen Arbeitsschritten bis zur Produktionsreife zu führen.