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Additive Manufacturing Blog

Hochfahren der 3D-Druck-Produktion

23. August 2021 | Lesezeit: 9 Min
Wie lässt sich die Produktivität einer Fabrik für Additive Manufacturing (AM) mit möglichste wenig Aufwand erhöhen und optimieren? Wir haben Simulationssoftware eingesetzt, um den Prozess und die Nachbearbeitungsschritte zu simulieren. Anhand unseres Kundenbeispiels lassen sich die Skalierungsschritte leicht nachvollziehen.

Wie erreicht man die höchstmögliche Rendite?

Die Produktionsskalierung in der additiven Fertigung (AM) bedarf einer sorgsam ausgearbeiteten Strategie, für die zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen sind. Dieser Artikel richtet sich an alle, die die Produktivität einer AM-Fabrik mit minimalem Aufwand erhöhen und optimieren wollen. Wir beschreiben den Skalierungsprozess anhand eines tatsächlichen Kundenbeispiels, damit er leichter nachvollzogen werden kann.

Die Herausforderung

Der Kunde wollte die Produktion erhöhen, indem er seine bestehenden zwei „EOS P 396“-Systeme durch drei Systeme desselben Typs ergänzte. Das Team war sich jedoch nicht sicher, ob sich der daraus ergebende Maximaldurchsatz mit den vorhandenen Nachbearbeitungsmaschinen und im Ein-Mann-Betrieb bewerkstelligen lässt. Das AM-Produkt blieb gleich, was bedeutete, dass auch der Arbeitsablauf und die Art der Ausrüstung unverändert blieben. Die größte Herausforderung bestand darin, die zusätzliche Nachbearbeitungsmaschinen und Ressourcen so zu optimieren, dass der höchstmögliche Durchsatz erzielt wird, dabei aber die Bauteilkosten so niedrig wie möglich zu halten.

Wir halfen unserem Kunden dadurch, dass wir ihm ein maßgeschneidertes Produktionsmodell mit geeigneten variablen Eingabeparametern zur Verfügung stellten. Durch die Variation dieser Eingabeparameter konnten verschiedene Szenarien dahingehend untersucht werden, wie sie sich auf den Durchsatz und die Bauteilkosten auswirken. Diese Information half dem Kunden, das Szenario zu finden, mit dem sich die AM-Produktion bei möglichst niedrigem Investitionsaufwand optimal skalieren lässt.

So konnten wir am Ende die Problembereiche in der Fabrik herausstellen. Durch kleine Veränderungen in der Nachbearbeitung konnten wir die Produktionsleistung um 24 Prozent, die Marge um 124 Prozent und die Rendite um 115 Prozent erhöhen und gleichzeitig die Bauteilkosten um 18 Prozent senken.

Simulation zur Optimierung der AM-Produktion

Für die Entwicklung eines erfolgreichen Geschäftsszenarios in der Serienfertigung bedarf es einer tiefgründigen Analyse aller Produktionsparameter, die die Leistung und die Kosten beeinflussen. Diese Produktionsparameter sind häufig auf nichtlineare Art und Weise miteinander verknüpft, weshalb es kaum möglich ist, sie über eine Excel-Tabelle zu optimieren. Simulationssoftware berücksichtigt hingegen die produktbezogenen Zusammenhänge in all ihrer Komplexität und löst das Optimierungsproblem auf eine direktere Art und Weise. 

Wir bei EOS arbeiten mit „Tecnomatix Plant Simulation“ von Siemens und bieten Leistungen an, um unseren Kunden bei der Simulation maßgeschneiderter Lösungen zu unterstützen. So können sie ein gutes Verständnis für den Prozess entwickeln und auf dieser Grundlage eine Make-or-Buy-Entscheidung treffen.

Wir setzen Simulationssoftware ein, um die AM-Fertigung und die Nachbearbeitung zu simulieren. Für ein erfolgreiches AM-Konzept müssen der Durchsatz und die Kosten der Nachbearbeitung einberechnet werden, was manchmal über die Machbarkeit des Konzepts entscheidet. Mit der Simulation ist es einfacher, die komplexe Prozesskette zu hinterfragen.

Die Anlagensimulation ist eine ereignisorientierte Simulation, die alle geplanten Ereignisse untersucht. Dauert die Bearbeitung eines Auftrags beispielsweise eine Stunde, so wird der Simulator die Anfangs- und Endzeit des Auftrags berücksichtigen. Dabei wird nicht simuliert, wie der Auftrag bearbeitet wird, sondern zu welcher Zeit welches Ereignis stattfindet. Andere geplante Ereignisse sind die Schichtzeiten der Mitarbeitenden, die Rüstzeit oder der Wartungstermin eines Systems usw.

Einführung in die Fallstudie

Um den Vorteil einer ereignisorientierten Simulation nachzuweisen, wollen wir Ihnen hier den Fall eines Kunden präsentieren, der bereits über zwei „EOS P396“-Systeme verfügte und auf ein bestimmtes Wachstumspotenzial skalieren wollte. Nach den ersten Erfolgen wurde entschieden, in ein zusätzliches EOS-System zu investieren, um die Prognose zu erreichen. Neben den AM-Systemen verfügt der Kunde in seinem Werk auch bereits über die folgende Nachbearbeitungsausrüstung:

Auspackstation x1
Pulvermanagementsystem    x1
DyeMansion Powershot C x1
DyeMansion Powershot S x1
DyeMansion DM60 x2
UV Behandlung x1
Oberflächenveredelung x2
Trocknungsbereich x1
Prüftisch x1

Mit der EOS P 396 kann der Kunde mit jedem Auftrag 144 Bauteile bauen. Mit seinen zwei „EOS P 396“-Systemen kann er so jedes Jahr 426 Aufträge durchführen bzw. 61.344 Bauteile herstellen. Der Kunde plant künftig mit 600 zusätzlichen Aufträgen bzw. 66.400 zusätzlichen Bauteilen pro Jahr. Eine erste Berechnung ergibt, dass sich dieses Ziel mit dem Zukauf von drei „EOS P 396“-Systemen erreichen lässt – ein enormer Investitionsaufwand für das Unternehmen. Im Rahmen der Produktionssimulation sollte daher überprüft werden, ob die vorhandene Nachbearbeitungsausrüstung ausreicht, um diese Leistung zu gewährleisten. Für diese Analyse wurden das Produktionskonzept in all seiner Komplexität berücksichtigt, einschließlich Systemausfällen, Wartungszeiten und Schichtmodellen.

Unsere Vorgehensweise:

Das Anlagenlayout des Kunden war in drei Bereiche aufgeteilt (siehe Abbildung 1):

  • AM Drucker
  • Pulvermanagement
  • Nachbearbeitung

Der Kunde bevorzugte diese Dreiteilung, um das Risiko der Kreuzkontamination des Pulvers zu vermeiden. Wir haben zunächst ein Simulationsmodell mit den zwei vorhandenen „EOS P 396“-Systemen und ein zweites Modell mit drei zusätzlichen Systemen, jeweils mit der oben aufgeführten Ausrüstung, gebaut. Der Kunde betreibt die Anlagen von Montag bis Freitag in einer Ein-Mann-Schicht. Für die Analyse wurden verschiedenste Variablen, wie Verbrauchsstoffe und Anzahl der Bedienkräfte, angepasst.

Eine ereignisorientierte Simulation simuliert alle Ereignisse, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ablaufen. Dabei werden der Start- und Endzeitpunkt protokolliert, nicht jedoch das, was dazwischen stattfindet.

Nehmen wir als Beispiel einmal einen Geldautomaten: Sie führen Ihre Karte um 17:50 Uhr ein und entnehmen sie wieder um 17:53 Uhr. Die Simulation zeigt ein Ereignis um 17:50 Uhr, also den Startzeitpunkt, und springt dann zu 17:53 Uhr, dem Ende des Ereignisses. Bei der Anlagensimulation springt die Uhr von einem geplanten Ereignis zum nächsten.

Die entscheidenden Ereignisse bei der Fertigung sind der Zeitpunkt, zu dem die Maschine zur Verarbeitung beschickt wird, und der Zeitpunkt, zu dem das fertige Bauteil entnommen wird. Die Verarbeitung eines Bauteils kann mehrere Schritte umfassen (Rüstzeit, Beschickung, Entnahme), die von der Simulation erfasst werden. Die Simulationsstudie hilft, den Durchsatz und die Auslastung der Systeme zu erhöhen. Sie kann den Kunden im Rahmen der Konzeptoptimierung auch dabei unterstützen, den Bedarf an Mitarbeitenden, Ausrüstung, Systemen und Lagerfläche zu ermitteln.

Analyse & Ergebnisse der Simulation

Optimierung der Bereiche AM-Drucker und Pulvermanagement

Wir haben die Simulation zunächst für die Bereiche AM-Drucker und Pulvermanagement durchgeführt und in einem zweiten Schritt die Nachbearbeitungsausrüstung einbezogen. Das ursprüngliche Schichtmodell wurde unverändert übernommen:

  • Schicht: 1 Schicht (8 Stunden), Montag bis Freitag
  • Bauzeit: 20 Stunden

Nachdem das Modell entwickelt war, lag die erste Herausforderung darin, die optimale Anzahl an Mitarbeitenden für die beiden Aktivitäten zu finden. Wir haben fünf Versuche (Vers.) durchgeführt und herausgefunden, dass eine Bedienkraft beide Bereiche abdecken kann (siehe Tabelle 1). Der Durchsatz (1.065 Aufträge pro Jahr) blieb gleich, unabhängig davon, ob den Bereichen ein Mitarbeitender oder fünf zugewiesen waren. 

  Anzahl der Bedienkräfte Durchgeführte Aufträge
Vers 1 1 1065
Vers 2 2 1065
Vers 3 3 1065
Vers 4 4 1065
Vers 5 5 1065

Tabelle 1: Beziehung zwischen der Anzahl der den Bereichen AM-Drucker & Pulvermanagement zugewiesenen Bedienkräfte und der Jahresproduktion

Danach haben wir uns der Frage gewidmet, mit wie vielen Zufuhrsystemeinheiten (EOS Multibox, siehe Abbildung 1) die Bedienkraft das Pulver optimal an die EOS-Systeme verteilen kann. Im Zuge von zehn Durchläufen fanden wir heraus, dass sieben Multibox-Einheiten die optimale Anzahl sind, um einen Jahresdurchsatz von 1.062 Aufträgen pro Jahr (siehe Tabelle 2) zu erzielen. Zwar lässt sich mit einer höheren Anzahl an Zufuhrsystemeinheiten eine höhere Leistung erreichen; diese verursacht aber unverhältnismäßig hohe Zusatzkosten. So lässt sich die Produktionsleistung um insgesamt drei Aufträge pro Jahr (von 1.062 auf 1.065) steigern, was den erhöhten Kostenaufwand, auf den im vorliegenden Bericht nicht näher eingegangen wird, nicht rechtfertigt.

  Anzahl der Multibox-Einheiten Durchgeführte Aufträge
Vers 01 1 184
Vers 02 2 367
Vers 03 3 551
Vers 04

4

732
Vers 05 5 911
Vers 06 6 983
Vers 07 7 1062
Vers 08 8 1064
Vers 09 9 1064
Vers 10 10 1065

Tabelle 2: Anzahl der Multibox-Einheiten und der damit durchgeführten Aufträge

Optimierung des Post-Processing-Bereichs:

Nach der Optimierung des AM- und Pulvermanagement-Bereichs war der Nachbearbeitungsbereich die nächste anspruchsvolle Aufgabe. Er umfasste sieben verschiedene Prozessstationen mit zehn Schritten: 

  1. Teilereinigung in DyeMansion* Powershot C
  2. Ultraschall-Reinigung
  3. Oberflächenveredelung
  4. Ultraschall-Reinigung
  5. Trocknen
  6. Oberflächenbehandlung in DyeMansion Powershot S
  7. UV-Behandlung
  8. Einfärbung in DyeMansion DM60
  9. Oberflächenbehandlung in DyeMansion* Powershot S
  10. UV-Behandlung

Darüber hinaus gab es einige Herausforderungen in Bezug auf den Arbeitsablauf beim Kunden. So sollten die Strahlstationen (Powershot S und C) unseres Partners DyeMansion nur die Hälfte der in einem Build produzierten Teile bearbeiten (72 von 144 Teilen), also zwei Lose pro Build. Für alle anderen Stationen wie das DyeMansion DM60-Färbesystem, die Oberflächenveredelung, die Trocknung usw. müssen jedoch alle Aufträge bearbeitet werden, d. h. ein Los pro Bau.

Nachdem das ursprüngliche Modell um den Nachbearbeitungsbereich erweitert worden war, konzentrierten wir uns darauf, die optimale Anzahl von Bedienern zu finden. Ausgehend von dem AM-Optimum von 1062 Aufträgen pro Jahr haben wir fünf verschiedene Konfigurationen mit 1-5 Bedienern durchgeführt. Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, wären für den Nachbearbeitungsbereich 4 Bediener erforderlich, um einen wesentlich höheren Durchsatz zu erzielen als mit der bisherigen Anzahl von Mitarbeitern. 4 zusätzliche Arbeitsplätze rechtfertigen nicht die (hier nicht ausgewiesenen) zusätzlichen Kosten für einen zusätzlichen Mitarbeiter (848 gegenüber 849 Baujobs).

  Anzahl Maschinenbediene AM Baujobs AM Aufträge und Nachbearbeitungsbereich
 Exp1 1 1062 228
 Exp2 2 1062 666
 Exp3 3 1062 787
 Exp4 4 1062 848
 Exp5 5 1062 849

 Table 3: Anzahl der Maschinenbediener für die Nachbearbeitung und weitere Aufgaben

Analyse des Basismodels

Interessanterweise produziert das Basismodell mit dem AM- und Pulvermanagementbereich und einem Bediener 1065 Aufträge, aber mit der Einbeziehung des Nachbearbeitungsbereichs konnten wir nur 848 Aufträge erreichen - selbst mit der erhöhten Anzahl der Nachbearbeiter bis zu 4! Auch ein 5. Arbeiter wird die Zahl der Aufträge in der gesamten Produktionslinie nicht wesentlich erhöhen. Folglich muss es irgendwo im Nachbearbeitungsbereich einen Engpass geben.

Mit Hilfe des Simulationsmodells ließ sich der Engpass im Bereich der Oberflächenbearbeitung leicht ermitteln. Sehen Sie den hohen Stapel unerledigter Aufträge (oder in Arbeit befindlicher Teile) in Abbildung 1?

215 Aufträge oder 30.900 Teile müssen im Bereich der Oberflächenbearbeitung noch bearbeitet werden. 

1. Optimierung

Eine Lösung zur Beseitigung des Engpasses an der Flachschleifanlage könnte darin bestehen, eine weitere Flachschleifmaschine hinzuzufügen und dabei die Anzahl von Mitarbeitern und Schichten beizubehalten. Nachdem wir die notwendigen Änderungen am Simulationsmodell vorgenommen hatten, stellten wir fest, dass das Hinzufügen einer weiteren Flachschleifmaschine den Engpass in der Produktionslinie nicht vollständig beseitigte, sondern ihn vielmehr auf die DyeMansion* Powershot S verlagerte. Glücklicherweise verringerte sich die Größe des Engpasses auf 57 Aufträge oder 8.226 Teile. Abbildung 2 zeigt den neuen Engpass und den Durchsatz.

Die Auswirkungen dieser Optimierung sind wie folgt:

  • Die Auslastung der Maschinen wird voraussichtlich 46 % betragen, was bei einer 5-tägigen Einzelschicht für einen 20-Stunden-Bau nach 9 % geplanter und ungeplanter Stillstandszeit und 10 % Teileausschuss sehr gut ist.
  • 15%iger Rückgang der CPP
  • Der ROI steigt durch diese einzige Änderung um 17%-Punkte

2. Optimierung

In der zweiten Iteration konzentrierten wir uns auf den in der ersten Iteration ermittelten neuen Engpass. Wir fügten eine weitere DyeMansion PowerShot S hinzu, wodurch der Engpass behoben wurde. 

In Abbildung 3 können Sie das Ergebnis sehen. Nahezu alle der ursprünglich hergestellten 1062 Aufträge schlossen den Herstellungsprozess rechtzeitig ab, mit nur einem geringen Leistungsverlust von 0,01 % aufgrund der Verarbeitung des letzten Auftrags.

Die Auswirkungen dieser Optimierung sind wie folgt:

  • Zusätzliche 2% Auslastung der Maschinen oder insgesamt 48%
  • Zusätzliche 3% oder insgesamt 18% weniger CPP
  • Zusätzlicher Anstieg des ROI um 5%-Punkte aufgrund dieser einzigen Änderung auf insgesamt 22%.

Das Hinzufügen der Maschinen mit dem höchsten Durchsatz ist nur eine teilweise optimierte Lösung für die Serienproduktion. Die anderen wichtigen Faktoren sind die Kosten für das Hinzufügen von Maschinen und Bedienern, um festzustellen, ob sie einen positiven Einfluss auf die Kosten pro Teil haben. 

Fazit

Die Kernaussage ist, dass die Skalierung und Optimierung Ihrer AM-Produktionsstrategie eine komplexe Aufgabe ist, zugeschnitten auf ein bestimmtes Layout mit unterschiedlichen Schlüsselparametern für jedes Szenario. Wenn Sie Ihre Strategie nicht analysieren und berücksichtigen, kann dies zu falschen Schlussfolgerungen führen. Mit unserer Simulationskompetenz und 30 Jahren AM-Erfahrung können wir für Sie eine erfolgreiche Skalierungsstrategie entwickeln, um die höchste Maschinenauslastung und die niedrigsten Kosten pro Teil zu erreichen.