Im Jahr 1852 beschreibt James Prescott Joule erstmals den Kreisprozess – oder auch Joule-Prozess – in der Thermodynamik: das physikalische Prinzip der Gasturbine. Die ersten Ideen und Konzepte für diese Erfindung stammen bereits aus dem Jahr 1791. Das in Schweden ansässige Unternehmen Siemens Industrial Turbomachinery AB (SIT) fertigt Gasturbinen zur Stromerzeugung für den industriellen Einsatz sowie für Anwendungen im Bereich Öl und Gas. Das Leistungsspektrum der schwedischen Turbinen umfasst 15 - 60 MW. Neben dem Bau kümmert sich die Siemens-Tochter auch um Service und Wartung ihrer technischen Meisterwerke. Um die Wartungskosten zu senken, arbeitet Siemens an der Entwicklung und dem Einsatz additiver Fertigungsmethoden, wobei das Unternehmen auf Technologie und Maschinen von EOS setzt.
Die additive Fertigung eröffnet uns eine neue Dimension bei der Verwendung von integrierten Designs und der Fertigung. Mit dieser Technologie können wir Komponenten für Gasturbinen schneller herstellen und warten als zuvor. Gleichzeitig können wir den Funktionsumfang und die Leistungsfähigkeit der Teile steigern.
Eine Gasturbine besteht aus einem Lufteinlass, einem Verdichter, der Brennkammer, der Turbine im eigentlichen Sinne und der Austrittsöffnung für die heißen Gase. Der Verdichter komprimiert die Luft, die die Turbine durchströmt. Die so zusammengepresste Luft wird in der Brennkammer mit Kraftstoff vermischt und entzündet – die kinetische Energie erhöht sich auf diese Weise und wird anschließend von der Turbine in mechanische Energie umgewandelt. Diese mechanische Energie treibt einen Generator an. Anwendungsfälle können etwa die Stromerzeugung oder der Antrieb anderer beweglicher Ausrüstungsgegenstände wie zum Beispiel Pumpen sein, die dann Gas oder Öl durch Pipelines befördern.
Bei diesem Vorgang entstehen im heißen Bereich der Turbine hohe Temperaturen von teilweise über 1.000 °C, denen die Komponenten – etwa Schaufelblätter oder Leitbleche – direkt ausgesetzt sind.
Entsprechend hoch ist der Verschleiß im Bereich des Heißgaspfads. Das trifft auch auf die sogenannte „Burner Tip“ (Brennerspitze) zu – den Punkt, an dem die Entzündung des Gemischs erfolgt. Hier sind die Abnutzungserscheinungen spür- bzw. messbar. Der Hersteller hat strenge Testreihen eingeführt, um eine definierte Betriebszeit zu gewährleisten, nach deren Ablauf die Brennerspitzen üblicherweise gewartet werden müssen.
Die vorgefertigte Spitze wird ausgetauscht, nachdem das Nutzungsintervall abgelaufen ist, indem das alte Teil herausgeschnitten und das neue verschweißt wird. Der konventionelle Reparaturprozess ist aufwändig wegen der hohen Komplexität mit vielen Zwischenschritten und -prüfungen.
Um diesen Vorgang zu vereinfachen
und zu beschleunigen, entschloss sich Siemens,
auf die additive Fertigung zu setzen.
Für ein solches Unterfangen ist ein innovativer Partner erforderlich. Siemens Industrial Turbomachinery AB hat ihn in EOS gefunden: Denn neben der Bereitstellung der richtigen Reparaturtechnologie auf Basis der additiven Fertigung war EOS auch in der Lage, innerhalb von kurzer Zeit eine der hauseigenen Maschinen – eine EOSINT M 280 – individuell anzupassen. Die Veränderungen betrafen insbesondere die Vergrößerung des Bauraums, um die bis zu 800 mm großen Brennerspitzen aufnehmen zu können. Daneben änderte der Hersteller weitere Hardware-Teile wie das Kamerasystem oder die optische Messeinheit und passte auch die Software entsprechend an. Die umfangreiche Überarbeitung des EOSINT-Systems konnte EOS in weniger als einem Jahr bewerkstelligen.
Für Anwender zählt nämlich in erster Linie, dass die Turbinen schnell wieder einsatzbereit sind.
Das eröffnet zusätzliche Möglichkeiten, die Kosten für den Reparaturprozess zu senken und so die gesamten Wartungskosten zu reduzieren.
Neben den Fortschritten beim eigentlichen Reparaturprozess kann Siemens seinen Kunden noch einen strategischen Vorteil bieten: Durch das neue Verfahren ist es den Experten möglich, Verbesserungen in der Turbinentechnologie in diesem Bereich des Bauteils bereits während der Reparatur einzubauen. Damit erhalten Anwender stets Zugriff auf aktuelle Technologien, selbst wenn sie eine Turbine bereits seit vielen Jahren besitzen.
Dr. Vladimir Navrotsky, Head of Technology and Innovation at Siemens Energy Service, Oil & Gas and Industrial Applications, fasst zusammen: „Mit dieser neuen Reparaturtechnologie sind wir in der Lage, anfallende extrem präzise Arbeiten sehr schnell durchzuführen.“ Nicht nur für die schwedische Siemens-Tochter stellt das Projekt eine große Errungenschaft dar, wie Stefan Oswald von EOS bestätigt: „Wir haben mit unserer Technologie erfolgreich den Schritt in das Reparaturgeschäft getan und zudem bewiesen, dass wir unsere Systeme schnell kundenspezifisch modifizieren können.
„Wir haben mit unserer Technologie erfolgreich den Schritt in das Reparaturgeschäft getan und zudem bewiesen, dass wir unsere Systeme schnell kundenspezifisch modifizieren können. Die Modifikationen waren in diesem Fall sowohl bei der Hard- als auch bei der Software erheblich. Rückblickend können alle Beteiligten sehr zufrieden sein mit dem Ergebnis und dem Weg dorthin.“